Illustration eines Windhunds

Von Prompt Literacy zu Deep Prompting

Jeder Prompt wird wie ein rhetorischer Akt behandelt, nicht wie eine Befehlszeile. Journalistische Fragetechniken, Story-Crafting und systemtheoretisches Denken umrahmen Kontext, Haltung, Zielrichtung und Abgrenzungen. Dabei geht es um weit mehr als um das Formulieren von Befehlen an eine Maschine. 

Es geht um den präzisen, reflektierten, kreativen Umgang mit Sprache im Dialog mit der KI. Es geht um eine neue Praxis des Denkens und Formulierens, die gleichzeitig Werkzeug und Erkenntnismethode ist: Deep Prompting.

Deep Prompting will kein effizientes Mittel zur schnellen Ergebnisproduktion sein, sondern emergente Denk- und Resonanzräume öffnen. Nicht schreiben, damit die Maschine antwortet. Sondern schreiben, um die Maschine herauszufordern. Um herauszufinden, was durch einen echten Dialog mit der KI überhaupt erst denk- und sagbar wird. Jeder Prompt wird zum Testfeld, jede Antwort zur Wiedervorlage – ein unendlich großer Resonanzraum mit unendlich vielen Türen, die in neue Resonanzräume führen. Fehler, Ambivalenzen, Brüche und sogar Halluzinationen dienen als wertvoller Rohstoff für neue Gedanken und Diskursschleifen. 

Von natürlicher Sprache zu durchlässigem Denken

Deep Prompting arbeitet durchweg mit natürlicher Sprache – keine Codes, keine Shortcuts, keine Hacks, keine Tricks. Sondern lebendiges, durchlässiges und  formbewusstes Sprachhandeln mit klarem Ton und erkenntnisoffenem Duktus. Wer promptet wie eine Maschine, wird nur maschinenhafte Antworten erhalten. Wer stichpunktartig hineinspricht, wird nur Stichpunkte heraushören. Wer Sinn sät, wird Sinn ernten. Aus der Qualität der Sprache resultiert die Qualität des Denkraums. Und damit auch: die Qualität der Antwort. 

Natürliche Sprache bedeutet nicht einfache Sprache. Im Gegenteil: Je durchdachter, fließender und tonal stimmiger die Sprache, desto höher ihr Anschlusswert – für Mensch wie Maschine. Deep Prompting meidet technokratische Floskeln ebenso wie intellektualisierte Sperrigkeit. Es sucht eine Sprache, die offen ist für Mehrdeutigkeiten, ohne unklar zu sein. Die präzise ist, ohne starr zu wirken. Die anschlussfähig ist, ohne anbiedernd zu sein. Die Sprache des Deep Prompting erzeugt Resonanz – nicht Reibungsverlust. 

Von der Kulturtechnik zur kooperativen Symbiose

Je besser KI antizipiert, desto bewusster müssen wir ihre Prämissen hinterfragen – und unsere eigenen gleich mit. Denn wer nicht bewusst denkt und fragt, bekommt nicht mehr als das Echo des Trainingskorpus. Wer nicht tief bohrt, bekommt nur die oberflächliche Wahrscheinlichkeit. Deep Prompting bedeutet deshalb auch: sich der eigenen Denkmuster und Verantwortung bewusst zu werden, bevor man sie auf die KI loslässt. Der Dialog mit einer lernenden Maschine ist kein Tool-Test – er ist ein Spiegel. Und dieser Spiegel wird mit jeder Version klarer und schärfer. 

Deep Prompting ist kein Verfahren für die Massenoptimierung. Es ist ein neues Schreiben: zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, zwischen Inspiration und Inkonsequenz, zwischen Intuition und Systematik. Es ist eine Kulturtechnik für jene, die bereit sind, Sprache nicht nur als Medium, sondern als Denkraum zu begreifen, als das, worin sich Sinn formt. Es ist das Kuratieren eines dialogischen Schreibprozesses, der Maschine und Mensch auf Augenhöhe bringt – und Ergebnisse auf einer Diskurs- und Qualitätshöhe produziert, die keiner von beiden allein hätte erreichen können. Keine Menschmaschine, kein L’homme machine, sondern die symbiotische Kooperation von Mensch (first) und Maschine (second). 

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